"Gute Architektur kann nur im Dialog mit dem Bauherrn entstehen."

Architekt Roland Ostertag zeigte unserem Fotografen Matthias Kronau, warum diese Maßnahmen unumgänglich sind.
Bildrechte Roland Ostertag

Roland Ostertag ist Architekt aus Veitsbronn. Er lebt und arbeitet seit 1993 in Parma. Als Architekt widmet er sich mehrere Jahre in Zusammenarbeit mit Guido Canali der Restaurierung historischer Gebäude, unter anderem der Galleria Nazionale in Parma, Santa Maria della Scala in Siena und des Dommuseums in Mailand. Seit 2018 arbeitet er mit dem Architekturbüro Hilpert + Kollegen aus Burgfarrnbach zusammen.

Herr Ostertag, wie fühlt es sich an als Veitsbronner in hauptverantwortlicher Funktion die Veitskirche zu sanieren?

Das ist natürlich etwas ganz Besonderes, dass ich hier einen Beitrag leisten darf. Immerhin wurde ich in der Veitskirche konfirmiert. Und auch wenn ich seit 28 Jahre in Italien lebe und seit ca. 3 Jahren wieder hier in Deutschland bin, ist Veitsbronn trotzdem meine Heimat und Heimat schafft Interesse. Einen Sakralbau zu renovieren war immer schon eine große Herausforderung für Architekten. Über die reine Zweckerfüllung und ästhetische Ansprüche hinaus Räume zu gestalten, in denen sich das Spirituelle entfalten kann, erfordert Einfühlungsvermögen in liturgische und gesellschaftliche Zusammenhänge. 

Ihre wievielte Kirchensanierung ist die Veitskirche?

Tatsächlich ist es die erste Dorfkirche die ich bei einer Renovierung betreue. In Deutschland habe ich die Turmsanierung der Markgrafenkirche in Cadolzburg und die Sanierung des Dachtragwerkes von St. Paul in Fürth geleitet. In meiner Zeit in Italien konnte ich mit dem Architekten Guido Canali zusammenarbeiten. Canali gehört zu den bedeutenden italienischen Architekten der letzten Jahrzehnte und ist Spezialist für die Restaurierung von historischen Ensembles und antiken Monumenten sowie die Gestaltung von Ausstellungs- und Museumsräumen. 

Was sind die besonderen Herausforderungen bei einer Sanierung für einen Architekten?

Wir nehmen unseren Bauherrn auch als Gestaltungspartner sehr ernst. Ich bin davon überzeugt, dass gute Architektur nur im engen Dialog mit dem Bauherrn entstehen kann. Am Ende kommt dabei eine Architektur heraus, die nicht nur gestalterisch sondern auch funktional und wirtschaftlich ist.
Die Architektur ist das Ergebnis eines dialogischen Prozesses. Bei der Kirche St. Veit führen wir einen intensiven Dialog mit dem Denkmalpflegamt und den anderen beteiligten Fachleuten, am Anfang aber auch im Verlauf des Entwurfsprozesses. Das führt zu einem Ergebnis, das sehr genau die Anforderungen und Wünsche erfüllt. Das ist gerade bei der Veitskirche natürlich besonders interessant.

Apropos Denkmalschutz. Lässt der dem Architekten überhaupt Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung?

Natürlich gibt es beim Wiederaufbau diverse denkmalpflegerische Vorgaben zu beachten.
Der Bestand sollte nach Möglichkeit erhalten bleiben und in den Wiederaufbau einbezogen werden. Reparaturen und Erneuerungen müssen feinfühlig und nur da, wo dringend notwendig mit dem Vorhandenen vereinbart werden. 
Bei der Veitskirche wird im Innenraum der Kirche beispielsweise der ursprüngliche Sandsteinboden wieder eingebaut. Der historische Natursandstein der Fassade setzt sich damit drinnen fort. Es entsteht eine Synthese aus Alt und Neu. Ich musste hier zu Beginn viel Argumentieren, weil es unter anderem Bedenken wegen der Reinigung und Pflege gab. Aber schauen sie sich zum Beispiel doch einmal den Sandsteinboden in der Lorenzkirche an. Der ist 600 Jahre alt und hat den besonderen Reiz der Schönheit und Einzigartigkeit des über Jahrzehnte gelebten Steinbodens.

Unterscheiden sich die Herangehensweisen beim Denkmalschutz in Deutschland und Italien?

In Italien wird bei jeder Sanierung das Gebäude mehr oder weniger in seinen Urzustand zurückversetzt. Alles was im Lauf der Jahre nachgeordneter Bedeutung ist wird zurückgebaut und man versucht bei den Bauten deutlich zu machen, was im Lauf der Geschichte geschah, welche Veränderungen stattgefunden haben. So wird der Bau auch selber zum Museum. Dabei geht es von Beginn an um eine angemessene  Balance  zwischen  dem  Erhalten  auf  der  einen  und  dem  Gestalten  auf  der anderen Seite. In Deutschland ist das etwas anders. Hier versucht man die verschiedensten Elemente aus den unterschiedlichsten Epochen zu erhalten um die Baugeschichte eines Objektes sichtbar zu machen, auch auf Kosten der Gestaltung und Ästhetik.

Gibt es dafür auch ein Beispiel bei der Sanierung der Veitskirche?

Durchaus. Wir haben im vorderen Bereich der Kirche auf der Seite des Barbaraaltars eine Emporenstütze, die die erste Empore trägt. Diese wurde im Lauf der Zeit offensichtlich schon häufiger verändert oder erneuert, was man deutlich an seiner unterschiedlichen und entfremdenden Form erkennt. Außerdem wurde sie auch versetzt und steht heute nicht mehr dort, wo sie aus statischen Gründen eigentlich stehen sollte. In Italien hätte man diese Stütze herausgenommen und durch eine neue Stütze im Stile der anderen, älteren Stützen an der ursprünglichen Stelle ersetzt. Wir erhalten diese Stütze und bauen durch relativ aufwendige Schreinerarbeiten eine mittig einzuschlitzende Stahlrohrstütze im Kern des Holzquerschnittes ein, die hinterher nicht mehr zu sehen sein wird, aber die statische Sicherheit wieder gewährleistet. 

Welches Vorgehen halten Sie für sinnvoller?

Das sind einfach zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die beide ihre Berechtigung haben. Persönlich finde ich wichtig, dass wir bei der Sanierung wieder den historischen Charakter einer Dorfkirche freilegen. Der architektonische Eingriff sollte sich zurückhalten und den Kunstwerken im Gebäude die Hauptrolle überlassen. Gerade in Veitsbronn ist die Vielzahl der Kunstschätze, den Altären aus Nürnberger Werkstätten, etwas ganz Besonderes.

Was tun Sie konkret um diesen Charakter der Dorfkirche wieder verstärkt hervortreten zu lassen?

Die Kirche ist vor allem ein atmosphärischer von Geborgenheit und Ruhe geprägter Ort. Der Bau blickt auf eine fast 600 Jährigen andauernde Geschichte zurück. Ziel ist es, den Innenraum in ästhetischer, funktionaler und liturgischer Weise mit sensiblen Eingriffen so zu fassen, dass Veränderungen kaum sichtbar werden.
Neben dem bereits erwähnten Sandsteinboden, übrigens aus Worzeldorfer Sandstein, werden wir unter den Kirchenbänken auch wieder einen traditionellen Holzdielenboden einbauen, auch weil das für die Kirchenbesucher zu einer angenehmen Behaglichkeit trägt, als die Füße auf einen kalten Steinboden zu stellen. Außerdem werden wir auf eine behutsame Farbgestaltung beim Streichen der Innen u. Außenwände achten, damit die Kirche bald in neuem Glanz erstrahlt.

Ein neuer Fußboden und ein neuer Anstrich sind aber sicherlich nicht alles. Immerhin wird die gesamte Sanierungsmaßnahme auf gut 700 000 Euro geschätzt. 

Tatsächlich wird das meiste Geld so verbaut, dass es hinterher kaum zu sehen sein wird. Die statische Ertüchtigung des Dachstuhls ist mit etwa 200.000 Euro veranschlagt. Noch teurer ist die Elektroinstallation. Die Elektrik in der Kirche entspricht nicht den heutigen Anforderungen und Sicherheitsaspekten und wird komplett erneuert. Bereits jetzt wurden „kilometerweise“ neue Stromkabel verlegt um bald wieder zeitgemäßen Gottesdienst in der Veitskirche feiern zu können. 

Das Interview mit Herrn Ostertag führte Matthias Kamm, Kirchenvorstand Veitsbronn.